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  • (c) BMEL

Neues Haltungsgutachten 2024 für Greifvögel, Falken und Eulen

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Dezember endlich das lange erwartete neue Gutachten über die Mindestanforderung zur Haltung von Greifvögeln, Falken und Eulen veröffentlicht. Neben zahlreichen Verbänden und Vereinen war auch Dirk Sindhu an der Entwicklung beteiligt.

Das Gutachten sowie die verwendete Literatur kann unter folgendem Link abgerufen werden: Gutachten (BMEL)

Eine Zusammenfassung der Kernaussagen

1. Anwendungsbereich und allgemeine Grundsätze

  • Hilfestellung bei der Entscheidung für Tierhalter, Behörden und Gerichte, ob eine Tierhaltung den gesetzlichen Vorschriften entspricht.
  • Konkretisierung der allgemeinen Haltungsanforderungen des § 2 TierSchG und des § 42 Abs. 3 Nr. 1 – 4 BNatSchG
  • Adressaten: zuständige Behörden, Tierhalter (gewerbliche und private Betriebe, Einrichtungen, Zuchten, Haltungen)
  • Geltung für Neu- und Umbauten, bei bestehenden Tierhaltungen werden Übergangsbestimmungen und Fristen von maximal 10 Jahren empfohlen;
     kein Bestandschutz bei haltungsbedingten Schmerzen, Leiden und Schäden
  • Der Einsatz von Greifvögeln oder Eulen im Rahmen therapeutischer Maßnahmen wird aus tierschutzfachlicher Sicht grundsätzlich abgelehnt.
  • Die Zurschaustellung an ständig wechselnden Orten und die Haltung in mobilen Einrichtungen wird abgelehnt.
  • Abweichungen bleiben unter tierärztlicher Behandlung und in Pflege- und Auffangstationen vorübergehend erlaubt.
  • Die isolierte Handaufzucht und reine Prägung auf Menschen ist als tierschutzwidrig abzulehnen.

2. Anforderungen an die Sachkunde

2.1 Sachkunde des Tierhalters vor Anschaffung

  • Kenntnisse:
    • rechtliche Vorschriften, insbesondere des Tierschutz- und Tiergesundheitsrechts, des Jagdrechts, des Natur- und Artenschutzrechts,
    • der Anatomie und Physiologie,
    • zum Bewegungsverhalten, insbesondere Flugverhalten,
    • zum Fortpflanzungsverhalten,
    • zu den artspezifischen Besonderheiten in der Balz- und Mauserzeit,
    • der art- und bedarfsgerechten Ernährung und Art der Fütterung,
    • über Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge,
    • über Anzeichen von Gesundheitsstörungen und über mögliche Gegenmaßnahmen,
    • zu Anzeichen von Verhaltensstörungen und Stress,
    • im tierschutzgerechten Umgang mit erkrankten und verletzten Tieren,
    • über Haltungsansprüche und tierschutzgerechte Haltungsmethoden der jew. Spezies,
    • über Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen,
    • zum tierschutzgerechten (Halten) Töten von Futter- und ggf. Beutetieren,
    • im Führen von Bestandsbüchern,
    • der tierschutzgerechten Kennzeichnung und
    • im tierschutzgerechten Transport.
  • Fähigkeiten:
    • im tierschutzgerechten Umgang,
    • in der Durchführung täglicher Kontrollen,
    • im tierschutzgerechten Einfangen, Fixieren und Ruhigstellen,
    • in der Verabreichung von Tierarzneimitteln,
    • in der Durchführung von Pflegemaßnahmen,
    • im Anbringen von nicht-invasiven Kennzeichnungen und
    • in der tierschutzgerechten (Haltung) Betäubung und Tötung von Futter- und ggf. Beutetieren.
  • Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung
  • Betreiber von Auffang- und Pflegestationen: Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf Rehabilitationsprozesse und Trainingsmethoden für die erfolgreiche Auswilderung
  • Betreiber von Zurschaustellungen: Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Interaktionen mit Publikum und über besondere hygienische Anforderungen an größere Tierbestände

2.2 Sachkundenachweis

  • Erforderlich für Tierhaltungen gem. § 11 TierSchG oder gem. § 42 BNatSchG
  • Abgelegte Falknerprüfung, abgeschlossene Berufsausbildung/Studium (Tiermedizin, Biologie, Tierpflege), praktische Tätigkeiten in Betrieben/Einrichtungen jeweils allein nicht ausreichend
  • Für Flugvorführungen zusätzliche Voraussetzung (z.B. längerfristige praktische Erfahrung unter Anleitung)

3. Management, Ernährung und Pflege

3.1 Kontrollroutinen der Tierhaltung

  • Tägliche Kontrollen der Tiere, der Einrichtung und der Technik
  • Allgemeine Kontrolle: Körperlicher Zustand, Bewegungen, Atmung, Gefieder, Augen, Haut, Schnabel und Wachshaut, Beine (insb. im Bereich des Geschühs/Kennzeichnungsrings), Füße und Krallen
  • Futteraufnahme, Wasserangebot, Beschaffenheit der Exkremente, Verhalten der Tiere
  • weitergehende Einzeluntersuchung nur, wenn allgemeine Kontrolle Anlass dazu gibt
  • Benennung eines fachkundigen Tierarztes
  • Tägliche Überprüfung der Technik und der Einrichtung: Futter- und Tränkeeinrichtungen, ggf. Heiz- und/oder Gefrier- und Kühlelemente, Lichtquellen (Funktionsfähigkeit und Sicherheit)
  • Wöchentliche Überprüfung des gesamten Geheges einschließlich der Einrichtung auf Schäden, die zu Verletzungen bei den gehaltenen Tieren führen können (insb. Netz- und Drahtabspannungen sowie alle Elemente der Flugdrahtanlage)

3.2 Ernährung

  • Zur Sicherstellung der angemessenen und leistungsangepassten Ernährung sind Futtermenge, Futterzusammensetzung und Futteraufnahme des Einzeltieres aufeinander abzustimmen.
  • Mit bleihaltiger Munition erlegtes Wild darf nicht verfüttert werden (Bleivergiftung).
  • Das Futterangebot muss bedarfsdeckend, artspezifisch angepasst und so abwechslungsreich wie möglich sein.
  • Zugang zu frostfreiem Trinkwasser muss jederzeit gegeben sein. Die Bademöglichkeit darf ggf. beschränkt werden.

3.3 Gesundheitsvorsorge

  • Der Tierhalter hat festzulegen, wann und in welchen Zeitabständen Reinigungs- und ggf. Desinfektionsmaßnahmen erforderlich sind und durchgeführt werden, um jederzeit einen guten hygienischen Zustand der Volieren und ihrer Einrichtungen zu erhalten.
  • Überprüfung der Einhaltung der klimatischen Anforderungen zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten im bevorzugten Aufenthaltsbereich der Tiere.
  • Kontrollintervalle (Allgemeinuntersuchung, Kotproben) sind mit dem Tierarzt festzulegen.
  • Tiere dürfen nicht mehr als unvermeidbar mit Kot und sonstigen Verunreinigungen in Berührung kommen.
  • Futterreste und Gewölle sind möglichst täglich zu entfernen.
  • Witterungsschutz vor Niederschlag und starker Sonneneinstrahlung muss jederzeit selbständig erreichbar sein.
  • Artspezifische Temperaturansprüche müssen erfüllt sein (Wärme/Trockenheit im Winter, Kühlung für Arten aus kalten Regionen im Sommer).
  • Flimmerfreie Beleuchtungssysteme in Innenvolieren mit dem Tageslicht entsprechenden Lichtspektrum inklusive UV-A- und UV-B-Anteilen.
  • Dokumentationspflicht: mindestens die Anzahl der gehaltenen Tiere, Herkunft, Kennzeichnung und ggf. weitere Besonderheiten, Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge (tierärztliche Untersuchungen, Parasitenbehandlungen etc.), Ergebnisse der täglichen Kontrollen (wann wird was von wem mit welchem Ergebnis geprüft), verendete Tiere

4. Umgang mit kranken und verletzten Greifvögeln und Eulen

  • Jeder Tierhalter ist verpflichtet, bei einem Auftreten von Erkrankungen oder Verletzungen umgehend eine fachkundige tierärztliche Behandlung der von ihm gehaltenen Tiere zu veranlassen. Mögliche Ursachen sind abzuklären und ggf. abzustellen.
  • Wildlebende Greifvögel und Eulen sind einem Tierarzt oder einer behördlich genehmigten oder anerkannten Auffang- oder Pflegestation zu übergeben.
  • Oberstes Ziel ist die Wiederauswilderung wildbahnfähiger Vögel, ggf. nach entsprechendem Jagd- und/oder Flugtraining. Dauerpfleglinge sind im Einzelfall begründete Ausnahmen. Nicht wildbahnfähige Wildvögel sollen euthanasiert werden (Entscheidung des Tierarztes).

5. Haltungsbedingungen

  • Volieren: Eingangsschleuse, Schutz vor Prädatoren, Witterungsschutz, Rückzugsmöglichkeiten, Platz zum Fliegen, Größen für viele Vögel nicht wesentlich verbessert verglichen mit dem Gutachten von 1995.
  • Innenvolieren müssen Mindestgrößen erfüllen, wenn Vögel länger als vier Wochen darin untergebracht werden.
  • Haltung von Vögeln mit falknerischer Nutzung: grundsätzlich Möglichkeit zum Freiflug (Beizjagd, Flugshow, Rehabilitationstraining); Falknerjagdschein erforderlich; auch für Eulen weiterhin erlaubt.
  • Anbindehaltung nicht tierschutzgerecht, vorübergehend für längstens sechs Wochen zum Abtragen erlaubt.
  • Flugdrahtanlagen sind keine Anbindehaltung und weiterhin für Vögel, die Freiflug erhalten, erlaubt; für Eulen verboten; Bewegungsmöglichkeit muss mit Volierenhaltung vergleichbar sein; Schutzraum für Dämmerung/Nacht/Witterungen.