Verena Dibowsky
Eulen, Greifvögel und Falken sind ohne Zweifel faszinierende Lebewesen mit großer symbolischer Ausstrahlung für den Menschen. Vor rund 4000 Jahren wurden sie zu seinen Jagdgefährten. Bis heute werden sie in Zoos, Falknereien und privater Haltung gehalten
Aber eignen sie sich für den Einsatz in Tiergestützten Interventionen? Wie ist die Natur dieser Tiere? Wie ihre Haltungsbedingungen? Was bedeutet falknerische Haltung? Ist es möglich, mit Eulen, Greifvögeln und Falken Menschen zu helfen? Und wenn ja, in welcher Art und Weise? Darüber hinaus die Frage: Ist ihr Einsatz überhaupt tierschutzgerecht?
Das Thema ist komplex. Und ebenso reich das derzeit in die Höhe sprießende Angebot an vermeintlich „tiergestützter Therapie“ mit Eulen, Greifvögeln und Falken. Hier ist Abgrenzung gefragt und eine klare, einheitliche Position in Kreisen professioneller Tiergestützter Interventionen, denn Eulen, Greifvögel und Falken eignen sich nur sehr bedingt für den Einsatz.
Prinzipiell muss hier unterschieden werden in einerseits Ansätze wie Tiergestützte Therapie (TGT) und Pädagogik (TGP) und andererseits Tiergestützte Aktivitäten (TGA). Im Rahmen von TGT und TGP eignen sich grundsätzlich Tiere, die in einer sozialen Struktur leben, Körperkontakt als prinzipiell positiv wahrnehmen, eine natürliche, speziesübergreifende Kooperationsfähigkeit mit anderen Lebewesen an den Tag legen und nicht durch die Anwesenheit des Menschen gestresst werden. Unter den Bedingungen entfalten Tiergestützte Therapie und Pädagogik grundsätzlich ihre größtmögliche Wirkung.
Die Natur der Eulen, Greifvögel und Falken ist jedoch eine völlig andere: Sie sind (bis auf wenige Ausnahmen, die in engen Familienverbänden leben) keine sozial lebenden, mit anderen Lebewesen kooperierenden Lebewesen, sondern Einzelgänger, die höchstens paarweise leben und sich territorial verhalten. Hinzu kommt, dass ihr Status als Wildtier, selbst nach Jahrtausenden langer Haltung durch den Menschen, bis heute ungebrochen ist, was ihre besondere Reizempfindlichkeit und Stressentwicklung in der menschlichen Umwelt erklärt.
Eulen, Greifvögel und Falken bevorzugen selbst zu ihrem Partner einen gewissen Individualabstand und Körperkontakt ist, mit Ausnahme der Balz und Fortpflanzung, nicht in ihrer Natur vorgesehen. Selbst abgerichtete, zahme Individuen reagieren auf Berührungen durch fremde Personen ablehnend, weshalb dies unterlassen werden sollte! Somit fallen alle oben genannten Bedingungen, die Tiere mitbringen sollten, um eine größtmögliche Wirkung auf den Menschen zu entfalten, weg.
Eulen, Greifvögel und Falken dulden Berührungen lediglich als Jungvögel, wenn sie von Menschen handaufgezogen werden und dann meistens nur von ihrer Bezugsperson. Selbst bei isoliert aufgezogenen (auf den Menschen geprägten) Vögeln kann es zu Stress- oder Aggressionsverhalten bei der Annäherung von fremden Menschen kommen. Eine Fehlprägung kommt leider immer noch vor (besonders bei Eulen). Damit ist die vollständige Prägung auf den Menschen, die durch isolierte Handaufzucht ohne Kontakt zu Artgenossen entsteht, gemeint. Diese sollte aus unterschiedlichen Gründen unbedingt vermieden werden. Tiere, die so aufgezogen sind, sind in der Regel nicht mehr mit Artgenossen zu vergesellschaften, da das innerartliche Sozialverhalten niemals erlernt worden ist. Aufgrund dessen ist eine arteigene Partnerschaft meisten nicht möglich. Diese Tiere sehen den Menschen als arteigen an, was bei Erreichung der Geschlechtsreife zu erheblichen Problemen im Umgang mit diesen führen kann, da der Vogel dann beginnt, „sein Revier“ gegenüber „Artgenossen-Menschen“ zu verteidigen oder den Menschen sogar als Sexualpartner sieht.
Das heißt, Vögel aus isolierter Handaufzucht sind zwar als Jungvögel besser abzurichten, da sie eine andere Bindung zum Menschen eingehen, sind jedoch im Zweifel nur bis zur Geschlechtsreife einsetzbar, da sie dann mit Aggression gegenüber Konkurrenten/Artgenossen reagieren können.
Eulen und Greifvögel können jedoch ein Alter von bis zu 50 Jahren erreichen und sind aufgrund ihrer Fehlprägung nicht mehr auswilderungsfähig oder artgleich zu vergesellschaften. Die in der sensiblen Phase (Prägephase) erlernten Muster/Verhalten sind irreversibel und werden bis zum Lebensende beibehalten. Sie sind somit zu einem Leben ohne soziale Kontakte zu Artgenossen verdammt.
Die isolierte Handaufzucht, mit dem Ziel der Prägung auf den Menschen, hat für das Tier nachhaltig negative Auswirkungen. Das Tier ist aufgrund der nicht erlernten sozialen Kompetenz nicht in der Lage, ein artgerechtes Leben zu führen. Nachzuchten sind mit derartig aufgezogenen Tieren ebenfalls nur durch künstliche Befruchtung zu erzeugen. Diese Aufzucht dient ausschließlich dem Zweck der besseren Vermarktung und Verwendbarkeit und geht eindeutig auf die Kosten des Tieres. Dies ist sowohl aus tierethischer als auch aus tierschutzrechtlicher Sicht indiskutabel und gehört verboten. Zudem wäre eine derartige Herangehensweise sicherlich nicht im Sinne des Selbstverständnisses der professionell tiergestützt agierenden Personen.
Die Tiere zeigen bei Annäherung und Berührung deutlich ihr Missfallen. Das Verhalten der Tiere wird jedoch leider häufig fehlinterpretiert. So drückt das Schließen (Klimpern) der Augen, das Wegdrehen des Kopfes sowie das Hochaufrichten mit eng angelegtem Gefieder und unruhiges Trippeln der Beine eindeutig ihre Ablehnung/Unwohlsein aus. Weitere Anzeichen für Stress und Unlust sind Fauchen und Schnabelknappen, Im schlimmsten Fall, wenn Eulen (eigentlich dämmerungsaktiv und physiologisch entsprechend angepasst) bei vollem Tageslicht, ohne Deckung, ohne Ausweichmöglichkeit und noch dazu in artfremder Nachbarschaft, präsentiert werden, können sie emotional abstumpfen. Sie können dann in einen sog. „Konfliktschlaf“ verfallen, da es für sie keine Möglichkeit gibt, der Situation zu entkommen. Dieses Verhalten zeigen freilebende Eulen nur bei absolut auswegloser Feindbegegnung und wird in menschlicher Obhut häufig als Gewöhnung oder Vertrautheit fehlinterpretiert.
Es sollte deutlich geworden sein, dass Eulen, Greifvögel und Falken einerseits aus tierschutzrechtlichen, andererseits aus Gründen der mangelnden Wirksamkeit nicht für die Arbeit als Begleittiere in TGT und TGP geeignet sind. Hier sind sozial lebende, domestizierte Vögel wie z. B. Wellensittiche, Nymphensittiche und Hühner deutlich besser geeignet.
Etwas anders ist das im Rahmen Tiergestützter Aktivitäten, unter die klassischerweise Tierbesuchsdienste, aber auch Spazierengehen mit Tieren, ein Streichelzoo oder das Beobachten von Volieren fallen. In diesem Bereich lassen sich Eulen, Greifvögel und Falken potenziell einbinden. Für den Fall, dass AnbieterInnen der TGA selbst über kein eigenes Tier verfügen, sind Begegnungen in Zoos, Tierparks, Adlerwarten, Falkenhöfen sowie Auffang- und Pflegestationen zunächst denkbar. Bezieht man allerdings einige tierschutzrelevanter Aspekte der (falknerischen) Haltung mit ein, ist auch diese Möglichkeit, die Tiere einzubinden, eher kritisch zu betrachten.
Zum einen ist es grundsätzlich sehr anspruchsvoll, Eulen, Greifvögel und Falken unter artgerechten Bedingungen zu halten. Sie weisen, trotz Zucht und Zähmung, noch die gleichen Bedürfnisse und Urverhaltensweisen wie ihre in der Wildnis lebenden Artgenossen auf. Wie bei Delfinen gilt auch bei Eulen, Greifvögeln und Falken, die Frage nach der Realisierbarkeit einer artgerechten Haltung als elementare Voraussetzung für effiziente und nachhaltige Tiergestützte Interventionen, zu stellen. Während bei Delfinen bereits nachgewiesen ist, dass eine artgerechte Haltung nicht möglich ist, stehen entsprechende Studien für Eulen, Greifvögel und Falken noch aus. Bis dahin gelten die allgemein bekannten Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft und ihre Haltung ist prinzipiell erlaubt. Derzeit werden die Mindestanforderungen überarbeitet. Ergebnisse stehen noch aus.
Grundsätzlich sollte man sich jedoch darüber bewusst sein, dass dieses Thema kontrovers diskutiert wird und beispielsweise der Deutsche Tierschutzbund fordert, die Greifvogelhaltung auf wissenschaftlich geführte Institutionen und Pflege- und Auffangstationen zu begrenzen, womit z. B. auch jegliche Flugschauen entfallen würden.
Kritisch Punkte im Rahmen der Greifvogelhaltung sind immer wieder die Anbindehaltung, die nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen und bestimmten Bedingungen erlaubt ist (jedoch kann dies kaum ausreichend kontrolliert werden), die restriktive Fütterung, die genau auf den aktuellen Tageshunger abgestimmt sein muss, wenn das Tier zur Flugschau oder Jagd motiviert sein soll, die Verwendung von Hauben, die die Tiere durch den Verlust der wichtigsten Sinneseindrücke ruhig werden lassen, sowie die häufig nur theoretische Ausbildung und somit schnelle Überforderung des zur Haltung berechtigten Personenkreises und einige mehr.
Zudem ist die Physiologie von Vögeln darauf ausgerichtet, regelmäßig zu fliegen, auch wenn gerade Greifvögel, Eulen und Falken maximal energiesparend damit umgehen und den überwiegenden Teil ihrer Zeit mit Ruhen (außer Jagd, Balz oder Revierabsicherung) verbringen. Bei Volierenhaltung benötigen sie somit ausreichend Platz, um mindestens einige zielgerichtete Flügelschläge aus führen zu können oder bei der Anbindehaltung mind. 3-4 Mal pro Woche artspezifisch Freiflug. Eine weitere Voraussetzung für die Haltung von Greifvögeln ist It. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft täglich mindestens eine Stunde Zeit pro Vogel für die Fütterung und Pflege. Allein bei diesem Ausschnitt an kritisch zu hinterfragenden Aspekten wird deutlich, wie viel Zeit und Expertise in der Greifvogelhaltung notwendig ist. Ob dies im Tagesgeschäft von wirtschaftlich unter Druck stehenden Einrichtungen immer in dem Maße Berücksichtigung finden kann, ist eher fraglich.
Im Ergebnis scheint es fast unmöglich, als Laie in der Gemengelage der verschiedenen Interessenvertreter wie Falknerverbände, privater Falkner, Naturschutz- und Tierschutzverbände sowie Auffang- und Pflegestationen ein objektives Bild von der jeweiligen Einrichtung oder privaten Haltung zu bekommen. Aus dem Grund ist es im Vorhinein notwendig, sich eingangs persönlich über die Vögel und ihre anspruchsvollen Haltungsbedingungen und Bedürfnisse zu informieren.
Ausgesprochen kritisch werden in jedem Fall Flugschauen und alle anderen Maßnahmen betrachtet, die zu kommerziellen Zwecken die tierspezifischen Bedürfnisse übergehen, wie z. B. der Einsatz von nachtaktiven Eulen am helllichten Tag oder die Fehlprägung der Tiere auf den Menschen. Aber auch fehlinterpretierte Tierliebe, wie sie in manchen Auffangstationen betrieben wird, sollte nicht unterstützt werden. Damit ist gemeint, dass z. B. nicht rehabilitierbare, teilweise flugunfähige Vögel, in Gemeinschaftsvolieren auf Dauer untergebracht werden, anstatt diese schmerzlos zu euthanasieren, wie es tierschutzrechtlich vorgeschrieben ist. Die neue Erscheinung, gerade im asiatischen Raum, von Eulencafes, ist aus unterschiedlichen Gründen komplett abzulehnen. Diese Art der Haltung und Präsentation der sensiblen Tiere ist als tierschutzwidrig anzusehen und somit komplett abzulehnen.
Für FalknerInnen, die selbst tiergestützt mit ihrem Tier arbeiten möchten, empfiehlt sich zunächst die Auseinandersetzung mit professionellen Standards und Selbstverständnis der TGl, um Möglichkeiten ausloten zu können und Grenzen zu erkennen. Sollten sie sich nach der Auseinandersetzung für den Einsatz ihres Tieres entscheiden, so sollte es als Mindeststandard betrachtet werden, neben den üblichen Anforderungen an die (falknerische) Haltung, jegliche körperliche Kontaktaufnahme zum Tier durch KlientInnen zu vermeiden, geschweige denn, dies zu forcieren. Darüber hinaus ist zwingend die Dämmerungsaktiviät von Eulen zu respektieren und die Fehlprägung der Vögel abzulehnen.
Und nicht zu Letzt ist es doch sehr fraglich, wie die (falknerische) Haltung von Eulen, Greifvögeln und Falken, mit all ihren Risiken und Einschränkungen für die Tiere mit dem Konzept der Biophilie, der Liebe zum Leben, als Notwendigkeit für die gesunde geistige und emotionale Entwicklung des Menschen, vereinbar sein kann. Wenn die Förderung der Verbindung mit allem Lebendigen ein Ziel von TGI sein soll und ihre Wirkung u.a. auf dem Biophilie-Effekt beruhen soll, dann sind folglich natürliche Begegnungen zwischen Tieren, Pflanzen und Menschen am besten geeignet. In der Literatur zur Tiergestützten Intervention, speziell bei Otterstedt (Mensch und Tier im Dialog, 2015), findet sich sehr viel Material zu Einsatzmöglichkeiten und Methoden in Bezug auf Wildvögel, die sie als besonders geeignet für die Methode der freien Begegnung einstuft. Dort tauchen jedoch auch Bilder von falknerisch gehaltenen Eulen und Greifvögeln auf. Hier kann wohl kaum von einer freien Begegnung die Rede sein. Was zusätzlich in dem Zusammenhang für Verunsicherung sorgt, ist, dass der internationale Dachverband der Tiergestützten Therapie und auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz sich grundsätzlich gegen den Einsatz von Wildtieren aussprechen. Hier sollte meines Erachtens differenziert werden zwischen TGT / TGP und Tiergestützten Aktivitäten, die den professionellen Einbezug von Wildtieren erlauben, was ja auch sehr gut in der entsprechenden Literatur beschrieben wird.
Die konfliktfreieste und für alle Seiten (Mensch und Tier) gewinnbringendste Methode der TGA wird zusammenfassend in der freien Begegnung im natürlichen Lebensraum der Eulen, Greifvögel und Falken gesehen, wobei das Angebot dann Überschneidungen mit Angeboten der Umweltbildung, der Naturpädagogik und des Tier-, Natur- und Artenschutzes aufweisen kann. Hier ist zwar die Präsenz der Tiere nicht garantiert, jedoch bleibt die kritische Frage nach der Realisierbarkeit und Überprüfbarkeit ihrer artgerechten Haltung außen vor. Das Erlebnis des Einklangs mit der Natur erzielt zudem viel größere Effekte im Wirkungsfeld der Mensch-Tier-Beziehung. Im Falle des Nichterscheinens eines Greifvogels, einer Eule oder eines Falken müssen natürlich attraktive Alternativen wie die Begegnung mit Singvögeln, Insekten, Eichhörnchen, Mäusen oder Pflanzen und Pilzen, Nestern, Spuren, Höhlen, Bauten, Gerüchen, Federn usw. professionell in die TGA integriert werden. Dies sollte selbstverständlich unter Wahrung des Natur- und Artenschutzes geschehen, was z. B. beinhaltet, dass ein ausreichender Abstand zu Nistplätzen zwingend eingehalten werden muss, um die sensiblen Tiere nicht in ihrem Brutgeschäft zu stören. Da Eulen und Greifvögel prinzipiell scheu sind und eher heimlich leben, obliegt es dem ornithologischen Interesse und der Vorbereitung des Anbieters oder der Anbieterin, geeignete Gebiete mit Beobachtungsmöglichkeiten für Eulen und Greifvögel zu finden.
Wer das Thema vertiefen möchte, kann gerne in meiner Facharbeit weiterlesen: Dibowsky, Verena: Tiergestützte Interventionen mit Eulen, Greifvögeln und Falken - Eine Auseinandersetzung vor dem Hintergrund von Selbstverständnis, Wirksamkeit und Tierschutz, Hamburg, Diplomica Verlag 2020
Wer darüber hinaus Fragen hat oder eine fachliche Einschätzung zu einem Vogel, einer Einrichtung oder privaten Haltung hat, kann sich gerne an den Co-Autor dieses Artikels, Dirk Sindhu von der Bergischen Greifvogelhilfe, wenden: www.bergischegreifvogelhilfe.de.
Literatur (Auszug):